Data Act: Eine
Chance für den
Mittelstand
So profitieren KMUs von ihren Daten
Mit ihrem Vorschlag für einen Data Act plant die EU-Kommission umfassende Regeln für eine faire und innovative Datenwirtschaft. Der erste Entwurf wurde im Februar 2022 vorgelegt und hat eine klare Botschaft: Die Nutzung von Unternehmensdaten soll erleichtert beziehungsweise überhaupt ermöglicht werden. Auch wenn in Brüssel noch intensiv über den Entwurf des Data Acts verhandelt wird: Schon jetzt zeichnet sich ab, dass das Gesetz vor allem für kleine und mittlere Unternehmen große Potenziale birgt.
Um diese zu nutzen, gibt es allerdings einiges zu tun. Dass der Weg zum datengetriebenen Unternehmen kein leichter ist, weiß ich aus zahlreichen Projekten. Ich weiß aber auch: Es lohnt sich!
In diesem Beitrag möchte ich deshalb aufzeigen, was KMUs tun müssen, um von den Chancen des Data Acts zu profitieren. Eine Anleitung in sieben Punkten.
Bedeutung des Data Acts für kleine und mittlere Unternehmen
Jede Sekunde werden Unmengen an Daten von unterschiedlichen Quellen, Anwendungen und Personen generiert. Doch laut EU-Kommission bleiben derzeit bis zu 80 Prozent der generierten Daten ungenutzt.
Der Data Act soll diesen Datenschatz bergen und dabei rechtliche, wirtschaftliche und technische Hindernisse abbauen. Davon profitieren vor allem die kleinen Player. Und das ist gut so. Denn bisher gibt es eine Asymmetrie zwischen den großen Tech-Konzernen auf der einen Seite, die eine riesige Menge an eigenen Daten besitzen, und KMU und Start-ups auf der anderen Seite, die sich ihren Datenschatz erst einmal aufbauen müssen.
Dieses Ungleichgewicht hebelt die geplante EU-Verordnung aus. Der Data Act beinhaltet Maßnahmen, um eine ausgewogene Verhandlungsmacht für KMU herzustellen, indem Ungleichgewichte in Verträgen über die gemeinsame Datennutzung verhindert werden. Die europäische Kommission wird auch Mustervertragsbedingungen vorschlagen, um KMU dabei zu helfen, faire Verträge über Datenzugang und die gemeinsame Datennutzung auszuhandeln.
1: Daten als Produkt und wertvolles Gut betrachten
Mit dem Data Act können KMU und Start-ups somit auf Daten zugreifen, zu denen sie vorher keinen Zugang hatten. Diese Chance sollten sie ergreifen und sich spätestens jetzt mit dem Thema auseinandersetzen.
Daten werden nicht umsonst als der wichtigste Rohstoff des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Sie können dazu genutzt werden, Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten, die Kundenansprache zu verbessern oder völlig neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Doch was genau das für das eigene Unternehmen bedeutet, ist für viele Unternehmer:innen und Manager:innen schwer einzuschätzen. Sind Daten für uns als mittelständisches Unternehmen eine Chance oder ein Risiko? Welche Daten sind für uns wertvoll, welche nicht? Diese Fragen gilt es zu beantworten.
2: Datenstrategie formulieren
Wer Daten nutzen möchte, braucht eine klare Strategie, die nicht nur die externen, neu zugänglichen Daten berücksichtigt, sondern auch die bereits vorhandenen Unternehmensdaten.
Eine fundierte Datenstrategie definiert die strategische Relevanz von Daten für das eigene Geschäftsmodell. Wofür wollen wir Daten überhaupt nutzen? Geht es eher um die Optimierung von Prozessen oder um die Entwicklung innovativer Produkte? Die Strategie definiert Handlungsfelder, priorisiert Geschäftsbereiche und gibt ein übergreifendes Zielbild für den Besitz und die Verwendung von Daten vor.
Gleichzeitig übersetzt sie strategische Ziele in operative Maßnahmen und beantwortet Fragen wie: Wo sind die Daten gespeichert? Habe ich das Personal und die IT-Infrastruktur, um diese zu nutzen? Kann ich eine datenschutzgerechte Nutzung personenbezogener Daten gewährleisten?
All diese Fragen bilden das Fundament für weitere Aktivitäten. Denn eine Arbeit mit Daten ohne Strategie ist wie der Bau eines Hauses ohne Bauplan.
3: Personelle Ressourcen aufbauen
Wissen ist der Schlüssel, um mit Daten neue Geschäftsmodelle aufzubauen. Dieser Umbruch verlangt nach personellen und technischen Ressourcen, über die nur die wenigsten Unternehmen verfügen.
Wenn der Data Act nun wie ein Turbo für die Branche wirkt, muss ich sicherstellen, dass ich mit diesem Tempo mithalten kann. Dazu gehört die vorausschauende Planung von Personal, welches die Datenstrategie längerfristig umsetzen kann.
Zugegeben, der Fachkräftemangel verschärft das Problem, entsprechende Expert:innen ausfindig zu machen. Zudem ergibt sich hier ein Aspekt, der oft vergessen wird: Denn wie will ein Unternehmen, das zuvor zum Beispiel noch nicht mit Data Scientists gearbeitet hat, erkennen, wer für den Job qualifiziert ist und wer nicht?
Es ist ratsam, sich hier frühzeitig beraten zu lassen, um keine falschen Personalentscheidungen zu treffen.
4: Technische Ressourcen aufbauen
Viele der vorgeschlagenen Regelungen sind auf dem Papier einfacher als ihre Umsetzung in der Realität. Gerade kleine und mittlere Unternehmen dürften mit der Nutzung der Daten, die durch den Data Act zugänglich werden, an die Grenzen ihrer derzeitigen digitalen Infrastrukturen gelangen.
Welchen Cloud-Anbieter kann und sollte ich nutzen? Welche technischen Rahmenbedingungen muss ich schaffen, um den Anforderungen an Daten- und IT-Sicherheit zu entsprechen?
Große Datenmengen, Legacy Systeme, heterogene Datenlandschaft, Rechtemanagement, Zertifikate, Firewalls, Festplattenverschlüsselung, Dokumentation.… Viele Details müssen bedacht und die entsprechenden IT-Ressourcen geschaffen werden.
Fakt ist: Ohne das ideale technologische Fundament nützen auch die besten Daten und Expert:innen nichts, weil diese sonst von den ungeeigneten IT-Ressourcen gnadenlos ausgebremst werden.
5: Eine einheitliche Datenplattform etablieren
Jede Organisation hat diverse Abteilungen mit unterschiedlichen Interessen und Informationsbedarfen. Daraus resultieren oft Datensilos, die technisch und organisatorisch voneinander getrennt sind. In dieser Konstellation ist es nahezu unmöglich, die Daten optimal zu nutzen, weil sie nicht miteinander verknüpft sind.
Ein Beispiel: Der Vertrieb nutzt sein eigenes Tool und sammelt Kundendaten. Davon gehen einige gefiltert in den Bereich Operations und ein Bruchteil landet am Ende beim Controlling.
Es ist äußerst sinnvoll, Datensilos übergreifend auf einer zentralen Plattform zu kombinieren, in Beziehung zu setzen und auszuwerten. Jede Abteilung ist dafür verantwortlich, ihre eigenen Daten auf der Plattform in hoher Qualität und vollständig bereitzustellen.
Auf diese Weise wird eine zentrale Auswertung und Exploration von Daten sowie deren weitere Verwendung ermöglicht.
6: Verantwortung langfristig verankern
Dem ersten Impuls, der ersten Phase der Begeisterung folgt oft ein Abflachen des Engagements. Hier gilt es aufzupassen, dass wichtige Errungenschaften nicht wieder verlorengehen.
Ein Beispiel: Ein Data Scientist wird eingestellt, es gibt aber keine (Führungs-) Strukturen, um diese Person in das Unternehmen und die bestehenden Prozesse einzubetten. Hochqualifiziertes Personal ist dann schnell wieder weg.
Das bedeutet: Entscheider:innen müssen langfristig Verantwortung für die angestoßene Veränderung übernehmen – und diese Einstellung im ganzen Unternehmen verankern.
7: Externe Hilfe suchen
Bei der Umstellung hin zu einer Organisation, die mit Daten neue Innovationen schafft und sich Wettbewerbsvorteile sichern will, entstehen viele Fragen. Schon jetzt zeigen sich viele Unternehmen damit überfordert, weil der Bereich bisher nicht zum Kerngeschäft gehört oder intern dafür keine Expertise vorhanden ist.
Es ist also nahezu unabdingbar, sich für diese Transformation externen Support zu suchen, der die Lage fachgerecht einschätzt und bewertet. Dieser Blick von außen ist extrem hilfreich. Denn was für die eine Organisation bereits wie ein Quantensprung der digitalen Transformationen anmutet, ist mitunter aus Marktperspektive noch zögerliches Handeln – verglichen mit dem Tempo anderer Markteilnehmender.
Von der Strategieentwicklung bis zur Bereitstellung von Personal können externe Unternehmen wertvolle Unterstützung liefern. Mit ihrer Hilfe wird der Data Act der Europäischen Union zu dem, was er verspricht: einer riesigen Chance für den Mittelstand.
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Eine gekürzte Version dieses Beitrags ist am 31.01.2023 im Tagesspiegel Background Digitalisierung & KI erschienen.